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attribute: License: [CC BY-SA](https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/)
comment: This small course on energy systems and ecology is part
of the collaborative module »Technologie und Ökologie« in
the master programme »Nachhaltige Transformationsgestal-
tung« at the University of Applied Sciences Münster.
@cpdoc
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``` ascii
.------------------------------------------------------------------------------+
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```
@end
> For other languages, check out the translate button in the top left corner of the screen.
Version: @version vom @date
Dieses Skript liegt in zwei Varianten vor:
1. [Interaktive Version](https://liascript.github.io/course/?https://tech-u-oeko-energiesysteme-403625.fh-muenster.io/Energiesysteme.md)
welche in Ihrem Browser gespeichert wird und auch offline genutzt werden kann. Heruntergeladene Versionen finden Sie [in Ihrer Browser Datenbank](https://liascript.github.io/course). Sie können das Dokument über das »Teilen«-Symbol oben rechts auch für eine Lerngruppe in einen Klassenraummodus schalten.
2. [Statisches PDF](https://tech-u-oeko-energiesysteme-403625.fh-muenster.io/Energiesysteme.pdf).
Man kann »Energietechnik« studieren oder »Ökologie«, aber »**Energie und Ökologie**«? -- Nicht wirklich. Und doch kann man beides praktisch nicht vonenander trennen. Dazu später mehr.
Die Vorlesung besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Im Teil »Energie und Zivilisation« wird eine kleine **Geschichte der Zivilisation am Beispiel der Energienutzung** erzählt. Beispiele beleuchten blitzlichtartig die Bedeutung des Zugangs zu Energie für unsere Entwicklung einschließlich ökologischer Auswirkungen.
Dabei wird deutlich, dass die Menschheit nicht neben oder über dem Ökosystem steht, sondern Teil dessen ist und seinen Gesetzen untergeordnet. Dieser **System-Gedanke** wird im zweiten Teil bearbeitet. Wir beginnen mit ganz kleinen, übersichtlichen Energiesystemen und werden leider viel zu früh aufhören müssen. Auch dazu später mehr.
Ich wünsche uns allen spannende Erkenntnisse und Diskussionen!
Was bedeuten die Begriffe »Energie« und »Ökologie«?
### Begriffe
Die Wikipedia-Definitionen von »Energie« und »Ökologie« lassen nicht direkt ahnen, welche Zusammenhänge im Laufe der Vorbereitung deutlich werden sollen.
{{1}}
> Energie ist eine physikalische Größe, die in allen Teilgebieten der Physik sowie in der Technik, Chemie, Biologie und der Wirtschaft eine zentrale Rolle spielt. Ihre SI-Einheit ist das Joule. Die praktische Bedeutung der Energie liegt oft darin, dass ein physikalisches System in dem Maß Wärme abgeben, Arbeit leisten oder Strahlung aussenden kann, in dem seine Energie sich verringert. In einem gegenüber der Umgebung abgeschlossenen System ändert sich die Gesamtenergie nicht (Energieerhaltungssatz).
Der [Artikel](https://de.wikipedia.org/wiki/Energie) besteht aus rund 7700 Wörtern, der Begriff »Ökologie« ist nicht darunter. Immerhin der Begriff »Biologie«, gleich im ersten Satz. Im [englischsprachigen Artikel](https://en.wikipedia.org/wiki/Energy) taucht der Begriff einmal auf: Als zentraler Mechanismus hinter der Entstehung der **Nahrungspyramide**.

> Die Ökologie [...] ist gemäß ihrer ursprünglichen Definition eine wissenschaftliche Teildisziplin der Biologie, welche die Beziehungen von Lebewesen (Organismen) untereinander und zu ihrer unbelebten Umwelt erforscht. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Begriff zunehmend auch zur Bezeichnung der Gesamtumweltsituation verwendet, wurde dadurch aber auch insgesamt diffuser.
>
> -- Wikipedia
Man findet an [an anderer Stelle des Artikels](https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kologie#Politisierung_und_Popularisierung_des_%C3%96kologie-Begriffs), dass die Kurzform »Öko« in Verbindung mit zum Beispiel »Strom« verwendet wird, wenn besonders schadstoffarm oder ressourcenschonend hergestellte wirtschaftliche Güter bezeichnet werden. Auch wird die Ökosystemanalyse erwähnt, die neben der Lebensgemeinschaft den **Energiefluss und Stoffkreislauf** beschreibt -- wie auch die Nahrungspyramide.
Daraus folgt:
> Energie ist die Basis allen Fressens und Gefressenwerdens.
Energie ist also die Basis des Lebens und damit von allem, was wir unter Ökologie verstehen. Und wie sich zeigen wird, ist auch **die Geschichte der Menschheit eine Geschichte der Energienutzung** und wie wir diese in immer größerer Menge immer effizienter verwenden.
Was war noch gleich die **Nahrunspyramide**? Beschriften Sie die Skizze.
(__Auf Apple-Geräten werden die Eingabefelder eventuell nicht korrekt mit der Grafik skaliert. Sie erscheinen nach oben links verschoben.__)
``` ascii Die Nahrungspyramide.
+------------------+
" [[ Wärme ]] "<-----/" [[ Karnivoren ]] "\--> CO₂ -------.
+----------------------+ |
" [[ Wärme ]] "<---/ " [[ Herbivoren ]] " \--> CO₂ ---->+
+--------------------------+ |
Sonnenenergie -->/ " [[ Biomasse ]] " \<-- CO₂ <--'
```
[[?]] Nutzen Sie die Begriffe »Karnivoren«, »Biomasse«, »Herbivoren«, und 2 mal »Wärme«.
Aus der Erkenntnis, dass Energie die Basis der Ökologie ist, entstand im Laufe des 20sten Jahrhunderts die Idee der **thermodynamischen Ökologie** (thermodynamic ecology). Demnach folgen die zentralen Zielfunktionen jeder Ökologischen Entwicklung dem
> »maximum entropy production principle« (MEPP),
manchmal auch in der Variante des
> »maximum power principle« (MPP).
Was war noch gleich Entropie? Ich finde die folgende Definition aus der statistischen Thermodynamik am treffendsten und anschaulichsten:
> Entropie ist ein Maß für die Gleichverteilung.
Hier kann man sich zum Beispiel kleine Energiepakete (Quanten) vorstellen, die sich in einem System verteilen, **je gleichmäßiger, je größer ist die Entropie** des Systems.
Komplexe Systeme entfernen sich von der Gleichverteilung, je komplexer, je weiter. Dafür muss Energie aufgewendet werden, je komplexer, je mehr. **Die menschliche Zivilisation ist sehr komplex. Die Menscheit benötigt viel Energie.**
*****
Das Darwinsche **Selektionsprinzip** kann demnach generalisiert werden zu:
> Evolution, in these circumstances, proceeds in such direction as to make the total energy flux through the system a maximum compatible with the constraints.
>
> -- ALFRED J. LOTKA, 1922 [^1]
**Effizienz** wird in dem Moment relevant, in dem die zur Verfügung stehende Energiemenge begrenzt ist. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Systemstabilität relevant. Der Zugang zu sehr vielen Ressouren kann **Overshoot and Collapse Dynamiken** auslösen, wie sie viele Populationen mit ausgepräten Zyklen zeigen (Blattläuse, Heuschrecken, Lemminge, ..., Menschen?).
******
Die thermodynamische Ökologie erklärt den Zusammenhang zwischen Energie und Ökologie zwar gut, erweist sich **wegen der Komplexität der betrachteten Systeme** in der direkten Anwendung aber als sperrig. Wir werden den Systemgedanken aber forführen und punktuell versuchen, **konkrete Methodiken für die Planung komplexer, urbaner und ökologisch verträglicher Energiesysteme** zu erarbeiten.
******
* über die »Nahrungspyramide« eng miteinander verknüpft.
* mit der »thermodynamischen Ökologie« verstanden werden, nach der angenommen wird, dass
- Ökosysteme Zielfunktionen wie die »Entropiemaximierung« erfüllen.
- Dabei führen unbegrenzten Energiemengen nicht unbedingt auf ein »stabiles System«.
* verstehen, wie sich Zivilisation entwickeln konnte und wie der Zugang zu Energieressourcen dafür Voraussetzung war und ist
* verstehen, wie wir als Teil eines auf Energieumsatz beruhenden Ökosystems, unser Ökosystem verändern
* Methoden entwickeln, wie wir uns als Teil des Ökosystems an dessen Grenzen anpassen können
[^1]: Lotka, Alfred J.
"Contribution to the energetics of evolution." Proceedings of the National Academy of Sciences 8.6 (1922): 147-151. [online](https://www.pnas.org/doi/pdf/10.1073/pnas.8.6.147)
## Energie und Zivilisation
Wie konnte sich die **Zivilisation** entwickeln und wie und in welchem Umfang war dafür der **Zugang zu Energie** notwendige Voraussetzung?
- Nahrung kochen --> schneller kauen, besser verwerten
- sesshaft werden, Pflanzen anbauen, Tiere halten --> (Energie-) Lager anlegen
Es beginnt mit dem Feuer. Kochen vereinfacht das Kauen, vor allem von Fleisch, und reduziert die Dauer der Nahrungsaufnahme. Bei faserreichen Pflanzen erhöht Kochen dessen verwertbaren Anteil und zerstört viele Gifte.[^1]

Dann folgte die Landwirtschaft. Sie lieferte keinen direkten energetischen Vorteil. Die Energiebilanz eines Bauern ist nicht automatisch besser als die einer Jägerin und Sammlerin. Vermutlich war es die Kombination mit der Sesshaftigkeit und die Möglichkeit, Nahrung in Tontöpfen aufzubewahren, zu räuchern oder getrocknet zu lagern, die den Bauern in klimatisch stark saisonalen Regionen einen **energetischen Vorteil** verschaffte.[^2]
Ökologisch machte sich der Energiehunger der Menschheit vermutlich direkt bemerkbar. Das **Aussterben der Großsäuger** wie Wollnashorn, Riesenhirsch, Steppenwisent, Höhlenbär oder Riesenfaultier lässt sich mathematisch mit der Ausbreitung der Menschheit erklären[^3], es existieren aber weitere Theorien[^4].
Bald treiben Bauern ihr Vieh in **Hutewälder**, oder brandroden, um **Weiden und Felder** mit ersten Monokulturen anzulegen.
[^1]: Wrangham, Richard, and NancyLou Conklin-Brittain.
"Cooking as a biological trait." Comparative Biochemistry and Physiology Part A: Molecular & Integrative Physiology 136.1 (2003): 35-46. [pdf](https://citeseerx.ist.psu.edu/document?repid=rep1&type=pdf&doi=70a91362d633c64d51ce9ddd06894c43bc02ad4d)
[^2]: Testart, Alain, et al.
"The significance of food storage among hunter-gatherers: Residence patterns, population densities, and social inequalities." Current anthropology 23.5 (1982): 523-537. [pdf](http://alaintestart.com/UK/documents/storage.pdf)
[^3]: Alroy, John.
"A multispecies overkill simulation of the end-Pleistocene megafaunal mass extinction." Science 292.5523 (2001): 1893-1896. [pdf](https://doc.rero.ch/record/13614/files/PAL_E631.pdf)
[^4]: Nagaoka, Lisa, Torben Rick, and Steve Wolverton.
"The overkill model and its impact on environmental research." Ecology and Evolution 8.19 (2018): 9683-9696. [pdf](https://onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/ece3.4393)
Neben dem Feuer nutzten wir Menschen zunächst vor allem unsere eigene Arbeitskraft. Lernen wir etwas darüber, um einen **Maßstab** für unseren Energiebedarf zu erhalten.
- mechanische Dauerleistung eines Menschen: etwa 200 Watt [^1]
- nach fünf Stunden: **1 kWh** oder 10³ Wh · 3600 s/h = 3,6·10⁶ Ws = 3,6 MJ
{{1}}
Die Leistung von 200 Watt und die menschliche Arbeitskraft von 1 kWh in fünf Stunden werden wir an verschieden Stellen nutzen, um Leistungen und Energiemengen über **Vergleiche** intuitiver zu verstehen.
[^1]: Eigene [Messung](https://connect.garmin.com/modern/activity/11543999167#) -- hätte ich -- um ehrlich zu sein -- nicht viel länger als eine Stunde geschafft. ;-)
##### Übung -- Rindfleisch
Wenden wir den Maßstab »menschliche Arbeitskraft« von oben hier an.
Rindfleisch habe einen Nährwert von ungefähr 720 kJ pro 100 g. Bei einem Wirkungsgrad der Muskulatur von geschätzt 25 Prozent verbrauchen fünf Stunden Arbeit das Energieäquivalent von [[ 2 ]] kg Rindfleisch.
[[?]] Fünf Stunden menschlicher Arbeit entsprechen 1 kWh (siehe oben). Teilen Sie diese durch den Wirkungsgrad und den Nährwert.
[[?]] Haben Sie die unterschiedlichen Einheiten umgerechnet? Machen Sie den Einheitencheck!
[[?]] $4 \cdot \frac{3.6 \cdot 10^6 \ \mathrm{J} \cdot 0.1 \ \mathrm{kg}}{720 \cdot 10^3 \ \mathrm{J}} = 2 \ \mathrm{kg}$
### Präindustrielle Entwicklung
Unsere Vorfahren sind vor allem damit beschäftigt, sich weitere Energiequellen zu erschließen und damit ihre Überlebenschance zu erhöhen. Ökologisch bleibt das schon im Anfang nicht folgenlos.
- Holz, Holzkohle und Torf --> Heizen, Kochen, Schmieden, Produktion von Glas, Eisen, Ziegeln
- Wasserräder und Windmühlen --> Mühlen, Schmieden, Pumpen, Sägen
- Walfang --> Tran für Öllampen und Seife
- Trockenlegung von Mooren
- eingeschränkte Fischmigration
Die sesshaft gewordenen Menschen begannen **Hierarchien** zu bilden, in denen Höhergestellte Niedrigergestellte für sich arbeiten lassen, bis hin zur Sklaverei. Sklaverei und Menschenhandel sind Tragödien die sich [auch heute](https://www.walkfree.org/) noch abspielen. Sklaverei ist weder ein Entwicklungsschritt, noch eine ökologische Auswirkung und deshalb oben nicht gelistet. Menschen nutzen die Arbeitskraft anderer Menschen aus. Im Grunde kann Sklaverei als **kannibalistische Form der Energienutzung** verstanden werden. Sklaverei ist ein krimineller Akt, im Extremfall Völkermord.
!?[Pfarrer Peter Kossen ](https://youtu.be/mkHYh_0Fca0?si=GvF31qtkh3JpJUyO "Der katholische Priester [Peter Kossen](https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Kossen) engagiert sich seit Jahren gegen Sklaverei in der Fleischindustrie im Münsterland und Ostwestfalen-Lippe. Zu diesem Zweck hat er den Verein [Würde und Gerechtigkeit](https://www.wuerde-gerechtigkeit.de) gegründet.")
Holzkohle wird auch heute noch in erheblichen Mengen eingesetzt.
Weltweite Handelsmengen von Holzkohle im Jahr 2022 (Quelle: [Food and Agriculture Organization of the United Nations](https://www.fao.org/faostat/en/#data/FO/visualize)).
<!-- data-transpose -->
| Region | Produktion in Mio. t |
|----------|----------------------|
| Afrika | 37.18 |
| Amerikas | 19.47 |
| Asien | 8.96 |
| Europa | 0.57 |
| Ozanien | 0.04 |
Summe: 57,23 Millionen Tonnen.
1. Diese Daten beziehen sich auf
- [( )] Primärenergie.
- [( )] Sekundärenergie.
- [(x)] Endenergie.
- [( )] Nutzenergie.
- [[?]] **Primärenergie** nennt man Energieträger, wie man sie in der Natur findet, zum Beispiel Rohöl. **Sekundärenergie** nennt man einen für den Transport oder die Verwendung umgewandelten Energieträger, zum Beispiel Benzin. Nach Abzug von Transportverlusten spricht man von **Endenergie**, zum Beispiel eine am Hausanschluss gezählte Strommenge. **Nutzenergie** ist die Energieform kurz vor der Dissipation, also zum Beispiel Wärme oder Licht.
*****
2. Der gesamte Raumwärmebedarf der privaten Haushalte in Deutschland liegt laut Anwendungsbilanz der [AG Energiebilanzen](https://ag-energiebilanzen.de) im Jahr 2022 bei etwa 1600 PJ. Nehmen Sie einen Heizwert von etwa 30 MJ/kg für Holzkohle an. Dann liegt der Energieinhalt der weltweiten Holzkohleproduktion
- [( )] bei ungefähr einem Zehntel
- [( )] etwa 20 Prozent
- [( )] etwa bei der Hälfte
- [(x)] in der selben Größenordnung
- [[?]] Der Einheitenvorsatz P (Peta) steht für $10^{15}$.
dieses Vergleichswerts.
*****
*****
3. Nutzen Sie die oben bereits verwendete Quelle: [Food and Agriculture Organization of the United Nations](https://www.fao.org/faostat/en/#data/FO/visualize). In den letzten sechzig Jahren hat die weltweite Produktion von Holzkohle
- [( )] abgenommen.
- [( )] sich nicht wesentlich verändert.
- [( )] sich verdoppelt.
- [(x)] sich verdreifacht.
*****
#### Torf und Moore
Bestand naturnaher Hochmoore in Europa (10³ h) in den Jahren 1700 und 2000[^1].
| Land | 1700 | 2000 |
|-------------|------|------|
| Niederlande | 1500 | 15 |
| Deutschland | 1400 | 14 |
| Polen | 1300 | 195 |
| Dänemark | 1000 | 10 |
| Österreich | 300 | 30 |
| Schweiz | 200 | 20 |
| Belgien | 100 | 1 |
| Tschechien | 30 | 1,5 |
{{1}}



{{2}}
Der Mooratlas[^1] der Heinrich-Böll-Stiftung veranschaulicht sehr gut die enorme **Bedeutung der Moore für den Klimawandel**. Allgemeinverständlich geschrieben, bleibt er im Detail leider manchmal unpräzise. Zum Beispiel werden die genauen Ursachen der sehr hohen Emissionen der Biomasseerzeugung auf trockengelegten Mooren -- zweite Grafik oben -- nicht genau erläutert. Vermutlich wird durch die intensive Bearbeitung des Bodens während eines Bezugszeitraums sehr viel mehr Biomasse im Boden abgebaut, als durch Photosynthese aufgebaut werden kann. In der dritten Abbildung ist auf der vertikalen Achse sehr wahrscheinlich das Treibhausgaspotenzial aufgetragen, sonst wären die Kurven der verschiedenen Gase nicht vergleichbar.
Daten und Fakten zu nassen Klimaschützern: ein Kooperationsprojekt von Heinrich-Böll-Stiftung, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und der Michael Succow Stiftung, Partner im Greifswald Moor Centrum. Heinrich-Böll-Stiftung, 2023. [pdf](https://www.greifswaldmoor.de/files/images/Mooratlas/Mooratlas2023_Web_20230106_kleiner.pdf)
Maschinen wurden erfunden. Wasserräder und Windmühlen zur Be- oder Entwässerung und vor allem zum Mahlen von Getreide, später auch um Hämmer in Schmieden zu betreiben oder um Holz zu sägen. Viele Ortsbezeichnungen wie »[Mühlenstraße](https://osm.org/go/0GYOxRytx)« oder »[Hammerteich](https://osm.org/go/0GMOk5OzR)« weisen heute noch auf vorindustrielle Nutzungen hin.
")

 übernommen aus [^1]")

[^1]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 122, (2022).
##### Übung -- Windmühle
Eine Windmühle, mit einer mechanischen Leistung von 30 kW, leistet ungefähr so viel wie [[ 150 ]] Personen.
[[?]]Nehmen Sie wie oben an, eine Person könne dauerhaft 200 W leisten.
Im 19. Jahrhundert wurden Arbeitsplätze, Straßen und private Räume mit Öllampen erleuchtet. Das Lampenöl wurde aus Blubber, dem Fett von Walen, hergestellt[^1]. Mit dramatischen Folgen für die Bestände, unten am Beispiel der Population des früher sehr häufigen Grönlandwals. Insgesamt gibt es heute laut [IWC](https://iwc.int) etwa 16 000 Tiere, die meisten davon im Nordpazifik. Die Population östlich von Grönland hat sich bis heute nicht erholt (siehe Tabelle).
Population des Grönlandwals (bowhead whale) zwischen Grönland und Spitzbergen[^2]. Letzte Zahl (2015) nach [IWC](https://iwc.int).
| Jahr | Population |
|------|-----------:|
| 1611 | 52477 |
| 1664 | 44888 |
| 1710 | 25100 |
| 1786 | 11182 |
| 1803 | 7888 |
| 1828 | 1134 |
| 1911 | 1000 |
| 2015 | 340 |
")
")
[^1]: Johnson, Bob.
"A Peculiarly Valuable Oil: Energy and the Ecology of Production on an Early American Whale Ship." IA. The Journal of the Society for Industrial Archeology (2014): 33-50. [pdf](https://d1wqtxts1xzle7.cloudfront.net/57980853/Bob_Johnson_Industrial_Archaeology_--_Peculiarly_Valuable_Oil-libre.pdf?1544640585=&response-content-disposition=inline%3B+filename%3DA_Peculiarly_Valuable_Oil_Energy_and_the.pdf&Expires=1730312811&Signature=PeehF~i9nuE6N-6Q6d3e-V1SaDGNtWX0oJ6WlaV2-RnVR2ip9oUK0Mh8tDYW78F0qt5Q2zJhtqMIjf4MGCFeJ5CEWH6E98TMDz3J7PmfZrGouKte8uK4VTMjU0SPYH25a9OpfmsugB1HmSu0YAkZBc9wwhC6woVDL4whffuwiLprR6pKOB8F0I0eU5Nvdt29DzTVU3tSa4BsPK08TgImCwlhq0quOrO2ucinfsMoe2Zkmdsz9J52T01b9LtJ7xeAKQBV6sbIkPDoW6gSWEQgSdFL8vXZUpHaM-u5R6UUJO~XGSUcHdQqqrx826CTUdH5UnDRZ2LnYDak6ASnm7O4eA__&Key-Pair-Id=APKAJLOHF5GGSLRBV4ZA)
[^2]: Allen, Robert C., and Ian Keay.
"Bowhead whales in the eastern Arctic, 1611-1911: population reconstruction with historical whaling." Environment and history 12.1 (2006): 89-113. [pdf](https://citeseerx.ist.psu.edu/document?repid=rep1&type=pdf&doi=e69798560c51bf79fe7d19295e9afa12cce0180e)
#### Entwaldung
")
{{1}}
Wie der Walfang ist auch die Entwaldung eine Umweltauswirkung, die schon weit vor der Industrialisierung begann.
.")
Nichts markiert den Beginn der Industrialisierung eindrucksvoller, als der Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre.

Einige Jahrzehnte nach der Erfindung der Dampfmaschine, verlegte James Watt die Kondensation des Dampfes aus dem Zylinder heraus in einen externen Kondensator und erhöhte damit deutlich den **Wirkungsgrad**. Der lag damals vermutlich unter einem Prozent und stieg dadurch auf etwa **3 Prozent**. Dadurch wurde die Maschine in vielen Industrien wirtschaftlich. Sägewerke, Mühlen und Schmieden mussten nicht mehr auf windige Höhen oder in enge Flusstäler gebaut werden, Bergwerke konnten einfacher entwässert werden und Dampflokomotiven und Dampfschiffe revolutionierten den Verkehr.
[^1]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S.119, (2022).
#### fossile Brennstoffe
")
Ursprünglich wurde vor allem Biomasse als Energiequelle verwendet. Im Zuge der Industrialisierung im 20sten Jahrhundert diversifiziert sich die genutzte Primärenergiebasis.
#### Automobilität

> Die ersten 500 Meter Fahrt an einem kalten Wintertag belasten die Luft also wie die nächsten 5000 Kilometer, falls man nonstop so weit fahren würde.[^2]
[^1]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 275, (2022).
[^2]: Eidgenössische Materialprüfanstalt EMPA -- Rainer Klose.
"Aufgewärmt am Start." EMPA Quarterly. 56 (2017) S. 16 [online](https://www.empa.ch/documents/56164/62344/EmpaQuarterly_56d.pdf/37245033-6124-4f36-a545-7378aad9a494)
##### Übung -- Wirkungsgrad Automotor
James Watt erreichte mit seiner Dampfmaschine einen Wirkungsgrad von etwa 3 Prozent. Welchen **Wirkungsgrad erreicht der Verbrennungsmotor** eines Autos im Vergleich dazu?
Wenn Sie Ihren Treibstoffverbrauch kennen, können Sie den Wirkungsgrad leicht abschätzen. Bilden Sie die Summe aus Roll- und Luftwiderstandskraft. Multiplizieren Sie diese Gesamtkraft mit der zurückgelegten Strecke, $s$ beziehen Sie diese geleistete Arbeit auf die Energie des eingesetzten Brennstoffvolumens, $E$.
$\eta = \frac{\left(m \cdot g \cdot c_R + 1/2 \cdot c_w \cdot A \cdot \rho_L \cdot v^2\right) \cdot s}{E \cdot \rho_B \cdot H_i}$
Darin ist $g = 9,81 \ \mathrm{\frac{m}{s^2}}$ die Erdbeschleunigung und $\rho_L = 1,2 \ \mathrm{\frac{kg}{m^3}}$ die Dichte von Luft. Die anderen Werte wählen Sie individuell:
Masse, $m$:
<script default="1000" input="number" output="m">@input</script> kg
<script default="100" input="number" output="v">@input</script> km/h
Verbrauch, $E$:
<script default="5" input="number" output="E">@input</script> l/(100 km)
Strömungswiderstandskoeffizient $c_w$:
<script default="0.25" input="number" output="c_w">@input</script>
Frontfläche, $A$:
<script default="2.0" input="number" output="A">@input</script> m²
Rollwiderstandskoeffizient, $c_R$:
<script default="0.012" input="number" output="c_R">@input</script>
Heizwert des Treibstoffs, $H_i$:
<script default="41" input="number" output="H_i">@input</script> MJ/kg
Dichte des Treibstoffs, $\rho_B$:
<script default="750" input="number" output="rho_B">@input</script> kg/m³
let v = @input(`v`);
let E = @input(`E`);
let c_w = @input(`c_w`);
let A = @input(`A`);
let c_R = @input(`c_R`);
let H_i = @input(`H_i`);
let rho_B = @input(`rho_B`);
let rho_L = 1.2;
let g = 9.81;
let eta = (m*g*c_R + 0.5*c_w*A*rho_L*(v/3.6)**2)*1E5 / (E*1E-3*rho_B*H_i*1E6) * 100;
eta.toFixed(1)
Dabei wurden keine Beschleunigungs- und Bremsvorgänge berücksichtigt.
### 20stes Jahrhundert
Vor 100 Jahren verfügten die Menschen im Münsterland noch nicht über einen Stromanschluss. Heute führt ein längerer Stromausfall zu einer Katastrophe -- wenigstens in dem Technik-Thriller **Black-Out** von Marc Elsberg aus dem Jahr 2012.
Schlüssel war die Erfindung des **Wechselstroms**, der die Übertragung großer Leistungen über längere Strecken ermöglichte. Damit erlebte auch die Wasserkraft eine Rennaissance -- mussten Sägen, Schmieden und Mühlen doch nicht mehr an entlegenen Standorten betrieben werden. Die größten Kraftwerke der Welt sind heute **Wasserkraftwerke**.
Auch die Nutzung fossiler Energie wurde effizienter, da sie zentral zur Stromerzeugung eingesetzt werden konnte und dadurch Skaleneffekte[^1] wirksam wurden.



, Seilkupplung und Turbine (rechts). Das Kraftwerk versorgte anfangs die gesamte Stadt Trier mit Strom.")
{{1}}
Heute beträgt die [Netzlast in Deutschland](https://fh.ms/strampel) im Mittel etwa 60 GW. Geteilt durch 85 Millionen Einwohner ist das eine Leistung von 700 Watt, also ein Äquivalent der Arbeitskraft von mehr als drei Personen, die 24/7 für uns arbeiten -- und das ist nur der Stromsektor.
[^1]: Skaleneffekte:
Wenn Anlagen effizienter oder kostengünstiger werden, wenn man sie größer baut.
[^2]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 230, (2022).
Mit der **Stein- und Braunkohleverstromung** erlebte die Nutzung fossiler Energiequellen um die Jahrtausendwende in Deutschland einen Höhepunkt.



* Entwicklung:
- erste Generation: Beweis der Funktionsfähigkeit (Prototypen)
- zweite Generation (ab etwa 1965): Nachweis der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit
- dritte Generation (ab etwa 1990): Erhöhte Sicherheit und Lebensdauer
- vierte Generation (frühestens ab 2030, eher später): Erhöhte Sicherheit, höhere Wirtschaftlichkeit und bessere Brennstoffausnutzung
* [https://www.worldnuclearreport.org/reactors.html](Karte mit über 800 Kernreaktoren weltweit. Etwa 60 Reaktoren werden gerade gebaut.)


#### Windkraft
Die 90er Jahre waren auch die Anfangszeit der kommerziellen Windkraft. Anfangs wurden noch viele sehr unterschiedliche Maschinentypen getestet, danach kristallisierten sich **Leeläufer mit drei Rotorblättern** als überlegene Bauart heraus.




[^1]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 287, (2022).
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#### Mechanisierung
Mit der Elektrifizierung begann die Automatisierung. Heute übernehmen Roboter viele Aufgaben in der Industrie. Selbst in Haushalten erledigen Wasch- und Spülmaschinen, Küchenmaschinen, Saug- und Mähroboter unsere Arbeit.
##### Übung -- Mähdrescher
Wie viele Landarbeiter ersetzt ein Mähdrescher mit einer Motorleistung von 500 kW?
Antwort: [[ 2500 ]] Personen
[[?]] Nehmen Sie als Arbeitsleistung einer Person 200 Watt an.
{{1}}
*****
Kann man das so einfach rechnen? Wir plausibilisieren die Rechnung:
Ein Mähdrescher kann pro Stunde 10 ha Weizen mähen, dreschen und reinigen. Angenommen, eine Person schneidet das Getreide mit einer Sense, während eine andere Garben bindet und zusammen trägt, und zwei weitere das Getreide -- eventuell zu einer anderen Zeit -- mit Dreschflegeln dreschen und reinigen, dann könnten vier Personen in einer Stunde [[ 100 ]] m² Getreide ernten. Die Person mit der Sense müsste in einer Stunde [[ 400 ]] m² Getreide mähen, an einem Tag von 10 Stunden wären das [[ 4000 ]] m².
Ist das realistisch? Vergleichen Sie die Rechnung mit historischen Aufzeichnungen[^1] in den Abbildungen. Ein Morgen entspricht ungefähr 2500 m².


*****
[^1]: Verein für Socialpolitik (Ed.):
Die Verhältnisse der Landarbeiter in Deutschland, erster Band, Schriften des Vereins für Socialpolitik, No. LIII, ISBN 978-3-428-57300-4, Duncker & Humblot, Berlin (1892) [online](https://doi.org/10.3790/978-3-428-57300-4)
#### Mineralöl
Vom **Ölboom** in Pennsylvania (schon im 19ten Jahrhundert), über **Ölkriege** und **Ölkrisen**, die **Peak-Oil Theory* und lange Listen von Umweltkatastrophen -- Namen wie **Exxon Valdez** oder **Deepwater Horizon** haben es ins kollektive Gedachtnis geschafft -- das Thema Mineralöl könnte ein Studium füllen.
Öl war und ist ist der **Treibstoff der Weltwirtschaft**. Das gilt leider auch noch heute. Auch in Deutschland dominiert Mineralöl mit 3800 PJ in 2023 die Primärenergiebilanz (in Summe rund 10 EJ)[^1].
[^1]: PJ Petajoule $10^{15}$ J
EJ Exajoule $10^{18}$ J
##### Übung Mineralöl

Üblicherweise können Tankschiffe etwa 70 000 Tonnen Öl bunkern. Die gegenwärtig größten Schiffe der Welt sogar 440 000 Tonnen. Das Mineralöl erreicht Deutschland nicht nur per Schiff, sondern auch per Pipeline. Aber mal nur zur Anschauung: Wie viele Schiffsladungen der Hellespont-Alhambra-Klasse werden in Deutschland pro Jahr verbrannt, wenn man einen Heizwert von 42 MJ pro Kilogramm Mineralöl annimmt?
[( )] ein Schiff
[( )] zehn Schiffe
[( )] fünfzig Schiffe
[( )] einhundert Schiffe
[(x)] zweihundert Schiffe
* [ ] [[?]] Teilen Sie den Primärenergieverbrauch in Joule durch den Heizwert in Joule und die Schiffskapazität in kg.
#### Das Ökosystem

Der Gedanke, Spezies nicht nur als Individuen zu beschreiben, sondern in einem System von Wechselwirkungen und Abhängigkeiten, ist noch nicht einmal hundert Jahre alt.
[^1]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 351, (2022).
Angesichts politischer Abhängigkeiten und steigender Rohstoffpreise steigt der Abbau von **unkonventionellem[^1] Mineralöl und Erdgas**.
Durch die Umstellung von der Nutzung fossiler Lager auf regenerative Energiequellen, erhalten **Speicher für elektrische Energie** einen Entwicklungsschub.
Daneben wird in internationalen Projekten die **Kernfusion** weiterentwickelt.
[^1]: Als konventionell
wird eine Öl- oder Gaslagerstätte bezeichnet, wenn der Rohstoff von allein zur Bohrung strömt oder mit Hilfe von hinuntergepumptem Wasser dorthin gedrängt werden kann. Unkonventionelles Öl oder Gas muss mit anderen Methoden aus dem Gestein gelöst werden.
#### Unkonventionelles Öl
Unkonventionelle Öllagerstätten sind Ölschiefer, Ölsande oder Teersande.
* Zähflüssige oder an Sand oder Schiefer gebundenes Öl wird mit Hilfe von Dampf oder Chemikalien im Untergrund gelöst oder im Tagebau gewonnen und dann extrahiert.
* Die mit der Verbrennung von Mineralölprodukten verbundenen Emissionen steigen, toxische Stoffe können in die Umwelt gelangen.
* Das größte Abbaugebiet der Welt auf [Google Maps](Ölsandabbau bei Fort Mc Murray in Alberta).
* [National Geographic Article aus 2019 über die Auswirkungen des Ölsandabbaus in Kanada](https://www.nationalgeographic.com/environment/article/alberta-canadas-tar-sands-is-growing-but-indigenous-people-fight-back).
#### Unkonventionelles Gas

Zu unkonventionellem Erdgas zählen Shale gas oder Schiefergas und Flözgas[^2]. Ein Produktionsverfahren ist das Fracking.
- Mit Druck werden Risse im Gestein erzeugt und mit Partikeln (Stützflüssigkeiten) und Chemikalien (zum Beispiel Biozide) offen gehalten.
- In NRW existieren Lagerstätten geringen Umfangs.
- Die Erschließung der Vorkommen in NRW ist auf Grund hoher Anforderungen zur Zeit eher unwahrscheinlich.
- [Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zu Schieferöl und Schiefergas in Deutschland aus 2016](https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/Abschlussbericht_13MB_Schieferoelgaspotenzial_Deutschland_2016.pdf)
- [Google Maps: Fracking Pads in Colorado](https://maps.app.goo.gl/H52SWisxqsEMjvpM8)
[^1] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU).
"Umweltauswirkungen von Fracking bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas aus
unkonventionellen Lagerstätten – Kurzfassung". (2012) [online](https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/461/publikationen/k4346.pdf) siehe dazu auch: Stellungnahme der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (2012) [online](https://www.bgr.bund.de/DE/Themen/Energie/Downloads/BGR-Stellungnahme-UBA2012.pdf?__blob=publicationFile&v=3)
[^2]: Es sei noch der Begriff Tight Gas erwähnt,
der für Gas in schwer durchlässigem Gestein verwendet wird und beim Produktionsaufwand zwischen konventionellem und unkonventionellem Gas liegt.

In allen leuchtenden Sternen **fusionieren Wasserstoffisotope exotherm zu Helium**. Diese Reaktion technisch nutzbar zu machen, ist Ziel der weltweiten Fusionsforschung. Das größte Forschungsprojekt ist der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) in Frankreich, der sich gerade im Bau befindet.
{{1}}


{{2}}
*****
* [International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER)](https://www.iter.org)
- Standort: Cadarache, Frankreich
- Technologie: Tokamak
- Ziel: Kraftwerksbetrieb mit 500 MW Fusionsleistung
- Standort: Greifswald, Deutschland
- Technologie: Stellarator
- Ziel: Demonstration der Kraftwerkstauglichkeit des Stellarator Prinzips.
* [National Ignition Facility (NIF)](https://lasers.llnl.gov/)
- Standort: Kalifornien, USA
- Technologie: Trägheitsfusion mit Laserzündung
- Ziel: Proof-of-Concept der Laser-getriebenen Trägheitsfusion
* [Fusion Device Information System der International Atomic Energy Agency](https://nucleus.iaea.org/sites/fusionportal/Pages/FusDIS.aspx)
- Karte mit weltweit 162 Fusionseinrichtungen
*****
#### Energiespeicher
Es gibt natürliche Energiespeicher, fossile Energie, und Energieströme, solare Strahlung, Wind, und andere regenerative Energieformen. Wer die natürlichen Energiespeicher nutzt, benötigt keine künstlichen Energiespeicher. Wer von den Energieströmen leben will, muss sich eigene Speicher bauen. Das wissen wir schon von den ersten sesshaften Menschen im Kapitel [Ur- und Frühgeschichte](#10), die Nahrungsvorräte anlegten.


[^1]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 174, (2022).
[^2]: Escardó, Anna, and Julius Wiedemann (Ed.).
"Science illustration: a history of visual knowledge from the 15th century to today." Taschen, S. 146, (2022).
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##### Übung Energiespeicher
Eine erste Einschätzung der Leistungsfähigkeit verschiedener Speichermedien erhalten wir, indem wir den Energieinhalt alltäglicher Beispiele für diese Medien berechnen (bitte die Ergebnisse auf zwei Ziffern gerundet in kJ eintragen). Eine kleine Hilfe erhalten Sie, wenn Sie auf das Glühlampensymbol klicken.
* mechanisch -- potenziell: 50 kg Wasser, 100 m Fallhöhe:
[[ 49 ]] kJ
[[?]] $W_{grav} = 50 \ \mathrm{kg} \cdot 9,81 \ \mathrm{\frac{m}{s^2}} \cdot 100 \ \mathrm{m}$
* mechanisch -- kinetisch: 1000 kg Auto, 35 km/h:
[[ 47 ]] kJ
[[?]] $W_{kin} = \frac{1}{2} \cdot 1000 \ \mathrm{kg} \cdot \left( 35 \ \mathrm{\frac{km}{h}} \right)^2$
[[?]] Haben Sie die Einheiten korrekt umgerechnet?
* chemisch -- Beispiel Zuckerwürfel: 3 g, Brennwert 16,8 MJ/kg:
[[ 50 ]] kJ
[[?]] $W_{chem} = 3 \ \mathrm{g} \cdot 16,8 \ \mathrm{\frac{MJ}{kg}}$
[[?]] Achten Sie auch hier auf die Einheiten!
* elektrochemisch -- Beispiel 4er Pack Ni-MH AA (Mignon) Zellen: 1,5 V, 2300 mAh:
[[ 50 ]] kJ
[[?]] $W_{elchem} = 4 \cdot 1,5 \ \mathrm{V} \cdot 2,3 \ \mathrm{Ah}$
[[?]] Auch hier sind die Einheiten wichtig. Zur Erinnerung: VA = W
* thermisch -- Beispiel Tasse Tee: 300 g Wasser, erwärmt von 20 auf 60 $^\circ$C:
[[ 50 ]] kJ -- Rechnen Sie mit $c_p^{H_2O} = 4184 \ \mathrm{\frac{J}{kg \cdot K}}$
[[?]] $0,3 \ \mathrm{kg} \cdot 4184 \ \mathrm{\frac{J}{kg \cdot K}} \cdot 40 \mathrm{K}$
{{1}}
*****
Diskutieren Sie:
> Welche Unterschiede der Energiedichte stellen Sie fest?
@frame
*****
#### Technologievergleich
")
### Zukunft
Diese kleine Geschichte der Zivilisation der Menschheit aus der Perspektive der Energienutzung unterstreicht die These, dass komplexe Systeme -- konform mit dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik -- für Ihre Entstehung zwingend Energie benötigen. Je komplexer die Zivilisation, je größer der Energiebedarf.
Dieser Zusammenhang hat den Radioastronomen Nikolai Kardaschow dazu inspiriert, extraterrestrische Zivilisationen entsprechend ihres Energieumsatzes zu kategorisieren, vor allem aber mit dem Ziel, die Detektierbarkeit mit Hilfe der Radioastronomie zu charakterisieren.
{{1}}
*****
* Kardaschow-Skala
- Typ I: Eine Zivilisation, die in der Lage ist, die gesamte Energie ihres **Heimatplaneten** zu nutzen
- Typ II: Eine Zivilisation, die die gesamte Energie ihres **Heimatsystems** nutzt
- Typ III: Eine Zivilisation, die die Energie ihrer gesamten **Galaxie** nutzt
*****
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*****
Andere Wissenschaftler haben alternative Skalen entwickelt.
* Barrow Skala --> kleine Skalen kontrollieren, Quantentechnik
* Zen Zivilisation --> Bedürfnisse minimieren
* Caplan-Skala --> Informationsmenge maximieren
*****
## Energiesysteme
Im ersten Kapitel wurde unsere Zivilisation als komplexe Komponente innerhalb des umgebenden Ökosystems verstanden, welche sich entsprechend der zur Verfügung stehenden Energie entwickelt. Manche der Auswirkungen des anthropogenen Energieumsatzes können unser Ökosystem so verändern, dass die Entwicklung unserer Zivilisation mindestens beeinträchtigt wird. Um dem **planvoll und gezielt** entgegenzuwirken, reicht kein oberflächliches und rein qualitatives Systemverständnis.
Im zweiten Teil der Vorlesung beginnen wir, energietechnische Komponenten zu **quantifizierbaren Systemen** zusammen zu setzen. Wir beginnen mit sehr einfachen Systemen und werden schnell **an unsere Grenzen geraten** -- aber das soll uns nicht entmutigen, unser Systemverständnis weiter zu entwickeln ;-)
### Vor der Transformation

Das Energieversorgungssystem gegen Ende des 20. Jahrhunderts zeichnet sich aus durch
* ausgeprägte Energiesektoren,
* unidirektionalen Energiefluss,
* zentrale Großkraftwerke,
* Dominanz fossiler Primärenergienutzung, und

Die Transformation unseres Energieversorgungssystems ist gekennzeichnet durch
* hohe Vernetzung und Kopplung der Energiesektoren,
* bidirektionale Energieflüsse,
* Technologievielfalt und dezentrale Strukturen,
* Dominanz elektrischer Systeme und
* neben monetärer Optimierung Minimierung von Emissionen als Zielgröße.
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*****
Weitere Zielgrößen können sein
* Unabhängigkeit von bestimmten Staaten,
* Preisstabilität und Prognosesicherheit,
* LCA[^1]-Kenngrößen.
*****
{{2}}
*****
Konsumenten werden zu Produzenten, sogenannten »**Prosumern**«, die an Energiemäkten als Anbieter auftreten. Lokale Energiemärkte können sich bilden. **Digitalisierung** erhält eine hohe Priorität.
*****
[^1]: LCA --
Life Cycle Analysis / Lebenszyklusanalyse
### Modell-Symbolik
Mit Hilfe einfacher Graphen können Energiesysteme dargestellt werden.[^1]
``` ascii Grundsymbole der Energiesystemmodellierung.
.----. .---. +-----------+ .---. .------.
/source\ --> ( bus ) --> |transformer| --> ( bus ) --> \sink/
'--------' '---' +-----------+ '---' '--'
^
|
v
.-----------.
| storage |
'-----------'
```
{{1}}
*****
Regeln:
1. Komponenten können nur über einen »bus« miteinander verbunden werden. Für jeden »bus« gilt, dass die Summe der Energieströme null ergibt (Erster Hauptsatz der Thermodynamik).
2. Verschiedene Energiearten, zum Beispiel Erdgas und Wärme, müssen immer über einen Transformer miteinander verbunden werden, zum Beispiel ein Gaskessel.
*****
[^1]: Diese Symbolik wird auch vom
[Open Energy Modelling Framework -- oemof](https://oemof.org/) verwendet, welches in der Forschergruppe [Energiesystemmodellierung](https://fh.ms/esym) des Fachbereichs EGU der FH Münster genutzt wird.
##### Übung -- Symbole
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<!-- data-show-partial-solution -->
``` ascii
.--------------. +----------------------+
/" [[ source ]] "\ |" [[ transformer ]] " |
'------------------' +----------------------+
.------------. .--------------------.
(" [[ bus ]] " ) |" [[ storage ]] " |
'------------' '--------------------'
.----------------.
\" [[ sink ]] "/
'------------'
```
##### Übung -- Einfamilienhaus 1
Erstellen Sie ein einfaches Strom- und Wärmeversorgungssystem für ein Einfamilienhaus. Nutzen Sie die folgenden Komponenten und Begriffe: **Strom, Wärme, Gasnetz, Stromnetz** und **Gaskessel**.
<!-- data-show-partial-solution -->
``` ascii
.-----------------. .-----. +-------------------+ .-----.
/" [[ Gasnetz ]] "\ --> ( Gas ) --> |" [[ Gaskessel ]] "| --> ( Wärme )
'---------------------' '-----' +-------------------+ '-----'
|
.-----------------. .-----. |
/" [[ Stromnetz ]] "\ --> ( Strom ) |
'---------------------' '-----' |
| |
v v
.-----------------. .-----------------.
\" [[ Strom ]] "/ \" [[ Wärme ]] "/
'-------------' '-------------'
```
[[?]] Strom- und Gasnetz sind »sources«, der Gaskessel ein »transformer« und Strom und Wärme sind »sinks«.
{{1}}
Dieses **unidirektionale** und **unvernetzte** System in vielen Bestandsgebäuden Standard.
##### Übung -- Einfamilienhaus 2
<!--
stromn: [[ Stromnetz ]]
pv: [[ Photovoltaik ]]
gasnetz: [[ Gasnetz ]]
batterie: [[ Batterie ]]
waermep: [[ Wärmepumpe ]]
gaskessel: [[ Gaskessel ]]
strom: [[ Strom ]]
waerme: [[ Wärme ]]
speicher: [[ Speicher ]]
-->
Können Sie die Komponenten und Begriffe auch in diesem System zuordnen?
Verwenden Sie: **Stromnetz, Speicher, Wärme, Photovoltaik, Gasnetz, Strom, Gaskessel, Batterie** und **Wärmepumpe**.
<!-- data-show-partial-solution -->
.-----------. .---------------. .-----------. .---------------.
/ Stromnetz \ \" @stromn "/ /" @pv "\ \" @gasnetz "/
'---------------' '-----------' '---------------' '-----------'
| ^ | |
v | v v
.-----------------------------------------------------. .------------.
( Strom ) ( Gas )
'-----------------------------------------------------' '------------'
| ^ | |
| | | |
| v v v
| .---------------. +---------------+ +--------------+
| |" @batterie "| |" @waermep "| |" @gaskessel "|
| '---------------' +---------------+ +--------------+
| | |
| v v
| .---------------------------------------------------.
| ( Wärme )
| '---------------------------------------------------'
| ^ |
| | |
v v v
.---------------. .---------------. .---------------.
\" @strom "/ | " @speicher " | \" @waerme "/
'-----------' '---------------' '-----------'
{{1}}
Das System enthält **Vernetzungen**, z. B. über die Wärmepumpe, und **bidirektionale Energieströme**. Das Stromnetz ist hier zweimal vorhanden, da sich der Einspeisetarif vom Entnahmetarif unterscheiden. Auf diese Weise treten der **thermische Speicher und der Batteriespeicher in Konkurrenz** zueinander. Ist es günstiger, bei hoher Photovoltaikeinspeisung die Batterie zu laden, oder sollte mit der Wärmepumpe besser der thermische Speicher gefüllt werden? Die Antwort ist nicht unbedingt an jedem Tag im Jahresverlauf gleich.
{{2}}
Für die Wärmeversorgung sind zwei **konkurrierende Technologien** vorhanden; der Gaskessel und die Wärmepumpe. Es gibt Gebäude, in denen eine Wärmepumpe die Grundlast übernimmt und ein Gaskessel Spitzen abdeckt. Solche Systeme können aber auch einem **Optimierungsalgorithmus** übergeben werden, der zwischen diesen beiden Technologien wählt. Dieser Optimierungsalgorithmus kann z. B. auch die Größe der Speicher im Gesamtsystem optimieren.
{{3}}
Das System könnte noch durch **weitere Komponenten** ergänzt werden. Beispiele sind eine Solarthermieanlage, zu bestimmten Zeiten ein Elektroauto mit einem bestimmten Ladezustand oder optional eine Anschluss an ein öffentliches Wärmenetz.
### Bottom-Up Modellierung

Werden die Gebäude-Energiesysteme mit Strom- oder Wärmenetzen miteinander verbunden, entstehen Quartier-Energiesysteme.
{{1}}
Diese Form der Modellierung eines größeren Systems durch **die Summe seiner Teile** -- durch ein Zusammenfügen der Komponenten und Subsysteme von unten nach oben -- nennt man eine Bottom-Up Modellierung. Entsprechend gibt es auch eine Top-Down Methodik, die sich für sehr große Systeme oder für die Analyse von Zielszenarien eignet.
Die Wahl des Bilanzraums kann die optimale Zusammensetzung eines Energiesystems beeinflussen. Beispiel: Wird ein Einfamilienhaus mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet, **kann eine Batterie die Emissionsbilanz des Gebäudes weiter verbessern**. Wird aber das Quartier mit einbezogen, sind Fälle möglich, in denen die Batterie die Emissionsbilanz verschlechtert. Das ist z. B. der Fall, wenn die von der Photovoltaikanlage produzierte Energie jederzeit innerhalb des Bilanzraums verbraucht werden kann und dort Graustrom[^1] verdrängt. Die Batterie kann die integrierte regenerative Strommenge im Bilanzraum nicht erhöhen, würde über Lade- und Entladeverluste und über die Emissionen, die während der Herstellung entstanden sind, die **Klimabilanz des Bilanzraums Quartier verschlechtern**.
[^1]: Graustrom --
Strom unbekannter Herkunft mit fossilen Primärenergieanteilen.
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997
998
999
1000
### Systemoptimierung
Bei der »**[Multikriteriellen Optimierung](https://de.wikipedia.org/wiki/Mehrzieloptimierung)**« (Mehrzieloptimierung, multi-objective optimization) wird nacheinander
* zunächst das Minimum der einen Variable (z. B. Kosten) gesucht,
* danach das Minimum der zweiten Variable (z. B. Emissionen).
* Dann werden für eine Variable, z. B. die Emissionen, Grenzwerte zwischen den Extremwerten festgelegt und die Minimierung der anderen Variablen unter Einhaltung des Grenzwertes durchgeführt.
{{1}}
``` ascii Pareto Optimierung nach Kosten und Emissionen.
^
|"Emissionen"
|
| "{3}{Kostenminimum}"
| o
| | ×
| .
| \ "{2}{klassischer Variantenvergleich}"
| o ×
| \
|"{5}{Emissionsconstraint}"\"{6}{Paretopunkt}"
|-------------------------- o ------------------
| \
| \ × "{4}{Emissionsminiumum}"
| '-----------------------o
|
|
|